Cookie Consent by TermsFeed
DE
DE
DE

Unterbilanz, Überschuldung und Kapitalverlust: Rechtliche Leitlinien für Unternehmen

19. Dezember 2023

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen im Verlauf ihrer Geschäftstätigkeit zeitweise Verluste erleiden. Diese Verluste können beispielsweise während einer anfänglichen Investitionsphase auftreten, wenn die entstehenden Kosten die Erträge übertreffen, oder als Folge eines wirtschaftlichen Abschwungs.

Um Gläubiger in solchen Situationen zu schützen, definiert das Schweizer Obligationenrecht spezifische Massnahmen für den Fall, dass sich Verluste ansammeln und das Unternehmen dadurch in eine Überschuldung gerät. Es ist entscheidend, dass sowohl der Eigentümer als auch die Mitglieder des Verwaltungsrats eines Unternehmens (bei einer Aktiengesellschaft) mit diesen rechtlichen Verfahren vertraut sind, da bei Missachtung ernsthafte Sanktionen drohen können.

Die im Schweizer Obligationsrecht festgelegten Richtlinien bilden die Grundlage für ein effektives Management dieser finanziellen Risiken. Ein tiefgreifendes Verständnis für die verschiedenen Aspekte dieser Vorschriften ist entscheidend, um potenzielle Verluste zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Überschuldung zu ergreifen. Im Folgenden werden wir uns eingehender mit den Kernkonzepten beschäftigen, die für die Bewertung der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben relevant sind.

Bilanzverlust

Ein Bilanzverlust tritt auf, wenn in der Bilanz einer Gesellschaft die Aktiven die Passiven nicht mehr decken, was bedeutet, dass das Grundkapital nicht vollständig durch die Vermögenswerte auf der Aktivseite abgedeckt ist. Dies führt zu einer Situation, in der das Vermögen geringer ist als die Summe aus Fremdkapital und Eigenkapital.

Während ein solcher Bilanzverlust an sich noch keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, ist er ein wichtiges Warnsignal für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung, um adäquate Massnahmen einzuleiten.

Ein festgestellter Bilanzverlust verhindert zudem das Fassen von Gewinnverwendungsbeschlüssen, da eine Ausschüttungsbasis fehlt, was eine Ausschüttungssperre zur Folge hat. Trotz der Ernsthaftigkeit dieser Situation bedeutet ein Bilanzverlust aus insolvenztechnischer Sicht nicht unbedingt eine unmittelbare Bedrohung.

Unterbilanz

Eine Unterbilanz tritt auf, wenn das Eigenkapital eines Unternehmens – inklusive Reserven – nicht mehr ausreichend ist, um das gesamte Vermögen zu decken. Dies geschieht in der Regel, wenn die Vermögenswerte zwar das Fremdkapital vollständig abdecken, jedoch weniger als 50% des Eigenkapitals, bestehend aus Aktien- oder Gesellschaftskapital und Reserven, darstellen.

Es handelt sich um eine kritische finanzielle Lage, die zeigt, dass die Verbindlichkeiten das Eigenkapital übersteigen und das Unternehmen möglicherweise nicht in der Lage ist, seine langfristigen Verpflichtungen zu erfüllen.

Hälftiger Kapitalverlust

Unter einem hälftigen Kapitalverlust nach Art. 725a OR wird eine qualifizierte Form der Unterbilanz verstanden. Sie liegt dann vor, wenn die Hälfte des Grundkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht länger gedeckt ist. Für diesen Fall werden vom Gesetzgeber Handlungspflichten vorgegeben. Zu gesetzlichen Reserven zählen:

  • nicht an die Aktionäre zurückzahlbare gesetzliche Kapitalreserven
  • Geschützte gesetzliche Gewinnreserven
  • Aufwertungsreserven
  • Reserven für eigene Aktien

Massnahmen beim Kapitalverlust

Wird ein Kapitalverlust festgestellt, ergreift der Verwaltungsrat Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts. Sollten die Massnahmen in die Zuständigkeit der Generalversammlung fallen, wird eine entsprechende Versammlung einberufen. Sanierungsmassnahmen bei Kapitalverlusten umfassen eine Reihe von Punkten. Die geläufigsten Sanierungsmassnahmen sind dabei:

  • Kapitalerhöhung – Bei der Kapitalerhöhung wird das Eigenkapital einer Aktiengesellschaft durch das auf den Markt bringen von neuen Aktien erhöht.
  • À fonds perdu Zahlung – Einzahlung der Inhaber, ohne eine Gegenleistung zu verlangen
  • Forderungsverzicht von Gläubiger – Verzicht auf einen Teil der Forderungen
  • Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital – Verbindlichkeiten werden in Aktien gewandelt
  • Aufwertungen von Anlagevermögen – Im Sanierungsfall dürfen z.B. Immobilien aufgewertet werden

Ist die Gesellschaft nicht revisionspflichtig (opting-out), so muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung mittels einer eingeschränkten Revision geprüft werden. Der Verwaltungsrat ernennt den zugelassenen Revisor.

Überschuldung

Vergrössert sich der Kapitalverlust so weit, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so liegt eine Überschuldung vor. Wenn begründeter Verdacht besteht, wird unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten erstellt und einem zugelassenen Revisor (oder der bereits vorhandenen Revisionsstelle) vorgelegt.

Ist die Gesellschaft bei beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, wird der Konkursrichter benachrichtigt. Darauf kann verzichtet werden, wenn Gesellschaftsgläubiger im Umfange der Überschuldung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktreten (Rangrücktritt).

Gründe für eine Überschuldung

Überschuldung kann von diversen Bedingungen begünstigt werden, häufig ist sie jedoch das Ergebnis aus dem Zusammenspiel diverser Gründe. Beispiele sind hohe Investitionen, schlechte Marktsituation oder gar wegfallende Märkte, ausbleibende Forderungszahlungen, mangelhafte Geschäftsführung, politische Instabilität und verpasste Produktchancen.

Daher sollten Sie das sinkende Schiff bei einer Überschuldung nicht verlassen!

VR-Mitglieder erscheint es in so einem Fall häufig naheliegend zurückzutreten und sich aus dem Handelsregister löschen zu lassen, um sich der Verantwortung zu entziehen, davon ist jedoch abzuraten. Verwaltungsräte bleiben für alles, was vor Ihrem Rücktritt passiert ist, haftbar, unabhängig davon, ob sie diese Position noch ausführen.

Ebenso ist Aktionären abzuraten, sich Guthaben vor der Meldung an das Gericht zurückzubezahlen zu lassen. Dies ist nämlich nach der Konkurseröffnung anfechtbar und kann zur Einleitung eines Strafverfahrens wegen Gläubigerbevorzugung führen.

Missverständnisse bei Überschuldungen

Verschuldung ≠ Überschuldung

Grundsätzlich ist zwischen Verschuldung und Überschuldung zu unterscheiden. Eine Verschuldung bedeutet dabei lediglich, dass ein Unternehmen Schulden hat, was aber wie zuvor erwähnt nicht per se ein Grund zur Sorge ist.

Überschuldung ≠ Zahlungsunfähigkeit

Ein weiteres Missverständnis tritt häufig in Bezug auf die Zahlungsunfähigkeit eines überschuldeten Unternehmens auf. Die beiden Insolvenzgründe Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, sind unabhängig voneinander.

Bei der Überschuldung wird ein Zeitraum von einem Jahr betrachtet, wobei die Vermögenslage des Unternehmens sowie deren Entwicklung bewertet wird. Bei der Zahlungsunfähigkeit handelt es sich hingegen um einen stichtagsbezogenen Liquiditätsstatus, der eine kurze Frist von 3 Wochen berücksichtigt.

Die Verbindlichkeiten werden dabei den verfügbaren liquiden Mitteln gegenübergestellt. In der Praxis ist es jedoch üblich, dass überschuldete Unternehmen häufig auch zahlungsunfähig sind.

FAQ

foto by pexels.com

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden und erfahren Sie mehr rund um das Thema Steuern, Unternehmensbewertung & Digitalisierung im Treuhandbereich!

Weitere empfohlene Beiträge
Bundesgesetz über die Steuervorlage 17

Der Deal mit Steuerreform und AHV überlebt im Nationalrat Viel Rauch um Nichts! In einer neunstündigen Monsterdebatte hat der Nationalrat am 12.09.2018 nur wenig an der Vorlage des Ständerates geändert. Ein Antrag der Grünen zur Aufspaltung der Vorlage scheiterte knapp. Mit 101 Ja-Stimmen zu 93 Nein-Stimmen sprach sich der Nationalrat für die Verknüpfung der Steuervorlage […]

13. September 2018
...
Unternehmenssteuern: Der Schweiz droht schon wieder massiver Ärger an der Steuerfront

(Unlauterer) Steuerwettbewerb Die seit längerem anhaltende öffentliche Kritik, dass sich vor allem Digitalkonzerne vor Steuerzahlungen drücken können, zeigt Wirkung. Die OECD plant ein globales Modell zur Besteuerung der Digitalwirtschaft. Laut der Europäischen Kommission werden die Gewinne von Web-Giganten in mehreren europäischen Ländern mit Gewinnsteuersätzen von unter 10 % besteuert, während andere Unternehmen durchschnittlich mit Gewinnsteuersätzen […]

22. Juli 2019
...
Endlich ist das revidierte Aktienrecht in Sicht

Entwickelt sich eine politische Zangengeburt schlussendlich doch noch zu einem Schweizerischen Erfolgsmodell? Die Chancen dazu stehen gut. Was bisher geschah: Das geltende Aktienrecht ist in Kraft seit dem 1. Juli 1992. Seit Anfang 2001 sind zahlreiche parlamentarische Vorstösse eingereicht worden mit dem Ziel, das schweizerische Recht im Bereich «Corporate Governance» zu verbessern. Im Dezember 2005 […]

18. Oktober 2017
...
Revidiertes Aktienrecht entgeht knapp dem Totalabsturz – der Ständerat schickt die Vorlage zurück in die Kommission!

Nichts wird aus dem frommen Wunsch, dass die Aktienrechtsreform in der Wintersession 2018 zum Abschluss gebracht werden kann. «Ich bin überzeugt, dass das neue Aktien- und Rechnungslegungsrecht dazu beiträgt, dass es für Investoren noch attraktiver wird, ihr Geld in Schweizer Unternehmen «arbeiten» zu lassen.» Das sagte der damalige Bundesrat Christoph Blocher im Jahr 2007. Damals […]

11. Dezember 2018
...
Weitere empfohlene Beiträge
Endlich ist das revidierte Aktienrecht in Sicht

Entwickelt sich eine politische Zangengeburt schlussendlich doch noch zu einem Schweizerischen Erfolgsmodell? Die Chancen dazu stehen gut. Was bisher geschah: Das geltende Aktienrecht ist in Kraft seit dem 1. Juli 1992. Seit Anfang 2001 sind zahlreiche parlamentarische Vorstösse eingereicht worden mit dem Ziel, das schweizerische Recht im Bereich «Corporate Governance» zu verbessern. Im Dezember 2005 […]

18. Oktober 2017
...
Die Steuervorlage 17 nimmt die erste große Hürde!

Zusammenfassung: Der Ständerat hat beschlossen, die Steuervorlage 17 mit der AHV-Sanierung zu verknüpfen. Dieses Vorgehen soll der Unternehmenssteuerreform zum Durchbruch verhelfen. Der Finanzminister Ueli Maurer sprach von einem «kleinen Kunstwerk des politischen Kompromisses». Die Vorlage geht im Herbst in den Nationalrat. Ausgangslage: Am 12.02.2017 hat das Volk die Unternehmenssteuerreform III mit 59.1% Nein-Stimmen abgelehnt. Damit […]

8. Juni 2018
...
Einkommenssteuern: wird der Steuerabzug für die Säule 3a ausgebaut?

Ausgangslage Seit dem Jahr 1972 ist die individuelle Vorsorge als dritte Säule des schweizerischen Dreisäulenkonzepts der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge in der Bundesverfassung verankert. Die 3. Säule wird in zwei Bereiche unterteilt: Säule 3b: die freie Selbstvorsorge Diese besteht aus dem persönlichen Sparen, Lebensversicherungen etc. Es besteht keine steuerliche Privilegierung. Säule 3a: die gebundene Selbstvorsorge […]

16. September 2019
...
Weitere empfohlene Beiträge
Revidiertes Aktienrecht entgeht knapp dem Totalabsturz – der Ständerat schickt die Vorlage zurück in die Kommission!

Nichts wird aus dem frommen Wunsch, dass die Aktienrechtsreform in der Wintersession 2018 zum Abschluss gebracht werden kann. «Ich bin überzeugt, dass das neue Aktien- und Rechnungslegungsrecht dazu beiträgt, dass es für Investoren noch attraktiver wird, ihr Geld in Schweizer Unternehmen «arbeiten» zu lassen.» Das sagte der damalige Bundesrat Christoph Blocher im Jahr 2007. Damals […]

11. Dezember 2018
...
Quellensteuer-Revision 2021

Ausgangslage Am 15. Dezember 2016 hat das Parlament das Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens verabschiedet. Im April 2018 wurde die Quellensteuerverordnung publiziert. Am 12. Juni 2019 hat die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV das Kreisschreiben Nr. 45 zur Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens von Arbeitnehmern publiziert. Seit dem 1.1.2021 ist die Revision der Quellensteuern in Kraft. […]

30. Januar 2021
...
Sie haben Fragen?